Sindelfingen: 19 000 Besucher bei der Internationalen Briefmarkenbörse in der Messehalle / 170 Fachhändler präsentierten ihre Schätze
[Blockierte Grafik: http://www.szbz.de/imageServer/artikel/1651438003_30305.jpg]
"Die Sammler haben sich geändert. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Postgeschichte - die Marken sind nur noch Mittel zum Zweck", sagt Wolfgang Lang. Der Briefmarkenhändler aus München kommt seit langem zur Internationalen Briefmarkenbörse nach Sindelfingen. Postgeschichte, das heißt die Geschichte hinter der Briefmarke, mehr noch, was kann der Brief erzählen.
Darüber hat der professionelle Briefmarkenfan Peter Hagedorn aus der Nähe von Limburg ein klare Vorstellung. "Eine Briefmarke ist stumm. Ein Briefstück flüstert - weil der Stempel den Herkunftsort verrät, ein Brief spricht, weil er nicht nur über Absender und den Adressaten Auskunft gibt, sondern möglicherweise auch über den Postweg, den der Brief einst hinter sich gebracht hatte", sagt er und deutet auf einen Brief aus Danzig, der vor 72 Jahren per Luftpost nach Chicago geschickt wurde.
Herzen schlagen höher
Ein Sammelsurium von Stempeln auf der Vorderseite des Umschlages hat vieles zu berichten. Einerseits, dass der Brief mit dem Zug von Danzig nach Berlin gebracht, wo er ins Flugzeug nach Friedrichshafen verladen wurde. Dort kam die Post an Bord des Luftschiffes Graf Zeppelin, sich auf den Dreieckskurs Chicago - Rio - Friedrichshafen begab. Was Sammlern bei dem Brief die Herzen höher schlagen lässt sind einige Autogramme - unter anderem das von Knut Eckener, Luftfahrtpionier und Sohn des legendären Luftschiff-Kapitäns Hugo Eckener.
Luftschiffe und Briefmarken haben es Peter Hagedorn seit jeher angetan und so gehört er zur Arbeitsgemeinschaft Zeppelinpost, in der sich weltweit 240 Sammler zusammengeschlossen haben. "Wir sammeln; erforschen das, was wir ersammelt haben und veröffentlichen untere Erkenntnisse", sagt Hagedorn, dessen philatelistische Publikationen in den letzten 15 Jahren auf über 2100 Seiten angewachsen sind.
So wird der Sammler eigentlich nie fertig. "Das wäre wohl das Schlimmste, wenn eine Sammlung komplett wäre", sagt der Händler Wolfgang Lang. Der Weg ist das Ziel - auch beim Briefmarken sammeln.
Mehr als nur Bildchen
Auch derjenige, der sich zunächst lediglich an den Bildchen erfreut, findet genügend Möglichkeiten, seine Leidenschaft zu vertiefen. Seien es die verschiedenen Farben, mit denen der Herrscherkopf ungewollt, auf Grund schlechter Drucktechniken auf das gezackte Papierchen gebannt wird, seien es die verschiedenen Wasserzeichen, mit denen die Postverwaltungen ihre Wertmarken fälschungssicher machen wollten. All dies sind Nischen, in denen spezialisierte Sammler ihr Glück suchen - und auch finden.
Dies betrifft zwar die fortgeschrittenen Marken-Fans, doch auch die Neulinge geben sich nicht unbedingt mit dem Einfachen zufrieden. "Auch Anfänger sammeln heute schon auf hohem Niveau", sagt Werner Meyer, Briefmarkenhändler aus Schwäbisch Gmünd. Zumal sich auch Anfänger heutzutage oft auf alte Marken konzentrieren, weil die Vielfalt von einst heute oft den nüchternen Strichcodes gewichen ist.
"Die beste Veranstaltung"
Auch Werner Meyer sieht die Neigung der deutschen Sammler, sich ihrem Hobby thematisch zu widmen. "Wenn Geschichte und Philatelie zusammenkommen, ist es ideal". Dies erklärt beispielsweise auch dass so genannte Heimatsammlungen hoch im Kurs stehen - in der Erkenntnis, das Deutschland weit zu sammeln eine nahezu unüberschaubare Aufgabe wäre. So stellte die Reutlingerin Christel Drieschner ihre Sammlung "Impressionen aus dem Echaztal" aus, bei der Briefe, Ansichtskarten verbunden mit Zeitdokumenten in Text und Bild den Weg des Flüsschens von Honau bis nach Kirchentellinsfurt, wo die Echaz in den Neckar mündet, nachzeichnet. Andere konzentrieren sich auf die Postgeschichte von Sigmaringen, auf das Afrika-Corps, das Rote Kreuz - die Themenvielfalt ist groß.
Das ist die Stärke der Sindelfinger Briefmarken Börse, sagt der Münchner Wolfgang Lang, dass die Organisatoren den thematischen Sammlungen schon immer einen hohen Stellenwert beigemessen hätten. "Deshalb ist Sindelfingen die beste Veranstaltung in Deutschland. Wenn ich sehe wie sich die Veranstalter und die Sammler engagieren. Dazu ist Sindelfingen für Sammler ein wichtiger Treffpunkt geworden, bei dem man sich austauschen kann - dieser gesellschaftliche Kontakt ist ja auch wichtig".
Stabile Zahl der Besucher
So kamen rund 19 000 Besucher in die Messehalle und die Veranstalter sind recht zufrieden. "Wir wollten die Zahl der Besucher stabil halten und das ist uns auch gelungen", sagt Pressesprecher Gerd Aschoff. Angesichts von rund 170 Fachhändlern aus dem In- und Ausland und mit sehenswerten Ausstellungen - nicht zuletzt die "British-Guyana One Cent" die ein Kölner Sammler, der nicht genannt sein möchte, über ein Auktionshaus der Ausstellung zur Verfügung stellte, "bleibt Sindelfingen der Inbegriff einer interessanten Briefmarkenmesse", so Aschoff. Deshalb ist das letzte Oktoberwochenende 2006 für die nächste Internationale Briefmarkenmesse in Sindelfingen schon gebucht.
"Sammler sind glückliche Menschen", sagt Goethe. Und man möchte dem Dichterfürsten Glauben schenken, wenn man die Besucher in der Messehalle betrachtet, wie sie in Alben stöbern, Stapel für Stapel von Karten und Briefen durchblättern. Werner Meyer: "Und wenn sie am Abend von der Messe nach Haus gehen und zwei bis drei Briefe ergattert haben, dann freuen sie sich wie Schneekönige."
Quelle: