Bei meinem heutigen Streifzug durch Berliner Flohmärkte ist mir ein ganzer Stapel von Briefen aus Ost-Berlin in die Bundesrepublik Deutschland in die Hände gefallen. Sie stammen aus dem Jahre 1961 und wurden nur wenige Wochen nach dem Mauerbau verschickt. Die Briefe sind amtlich durch die Zollzweigstelle Kassel Postamt Hauptbahnhof geöffnet und mit einer Banderole wieder verschlossen worden. Auf der Rückseite der Briefe befinden sich zudem weitere amtliche Vermerke. Kastenstempel "Auf Grund des Gesetzes vom 24.5.1961 (BGBl. I S. 605) zollamtlich geöffnet" oder dreizeiliger Stempel "Zollamtlich geöffnet zur Überwachung von Einfuhrverboten!" Die Vermerke beziehen sich auf eine Rechtsvorschrift mit dem etwas kryptischen Titel "Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher oder anderer Verbringungsverbote". Die Zielstellung des Gesetzes lag, wie dessen § 1 ausführt, eindeutig im Bereich des Staatsschutzes. Voraussetzung für das Recht auf die Öffnung von Post war das Vorliegen "tatsächliche Anhaltspunkte" für einen Verstoß gegen nicht präzise bezeichnete staatsschutzrelevante Einfuhrverbote. Im zweiten Abschnitt des Gesetzes wird dann die Einfuhr von gegen die "freiheitlich demokratische Grundordnung" gerichteten Propagandafilmen verboten. Irgendwie kommt mir das ganze seltsam vor, da mit einem einfachen 20 Gramm-Standartbrief wohl kaum Propagandafilme verschickt werden können. Der Inhalt der Briefe einer Mutter aus Ost-Berlin an ihren Sohn nach Kassel ist durchweg familiär geprägt. "Tatsächliche Anhaltspunkte" für staatsschutzrelevantes Fehlverhalten, wie es etwa mit der in dieser Zeit durchaus üblichen massenhaften Versendung kommunistischer Propaganda verbunden wäre, sind nicht erkennbar. Den unter dem Mantel des westdeutschen Zolls agierenden Staatsschützern ging es in den Wochen nach dem 13. August 1961 wohl eher darum, sich aus den Briefen heraus ein umfassendes Meinungsbild zu verschaffen. Mein persönlicher Eindruck ist, dass das durch das Gesetz vom 24.5.1961 auf dem Boden der BRD ohnehin eingeschränkte Postgeheimnis ziemlich gnadenlos weiter durchlöchert wurde. Unter der Rubrik "Postkrieg" sind diese Briefe wohl nicht einzuordnen. Dennoch handelt es sich m.E. um sehr interessante Dokumente der deutsch-deutschen Postgeschichte.
Postkontrolle der BRD auf Grund des Gesetzes vom 24.5.1961 u.a. Kontrollen
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Hallo Wandervogelgelb,
solche Belege habe ich bisher noch nicht gesehen. Doch in der heißen Phase des kalten Krieges (eigentlich tolles Wortspiel) bin ich ob Deiner Belege nicht verwundert (und ich würde mich sehr wundern, wenn Du Dich wunderst). Ich kann nur hoffen, dass zukünftige Geschichtsbücher realistischer einschätzen, was in dieser Zeit geschah...
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In Ergänzung des obigen Beitrages eine Buchempfehlung zum Thema Postkontrolle in der BRD
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Und weil wir schon mal bei diesem Thema sind, hier noch ein Beitrag aus dem Netz:
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§ 5 Sondervorschriften für Postsendungen
(1) Sofern Postsendungen nicht bereits nach Maßgabe des Zollkodex der Union und sonstiger unionsrechtlicher Vorschriften zu gestellen sind, haben Postdienstleister, die Postdienstleistungen im Sinne des § 4 Nummer 1 des Postgesetzes erbringen, Postsendungen der zuständigen Zollstelle spätestens am nächsten Werktag anzuzeigen und auf Verlangen zur Nachprüfung vorzulegen, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass mit ihnen 1.Waren unter Verstoß gegen Einfuhr-, Durchfuhr- oder Ausfuhrverbote in den, durch den oder aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden,
2.verbrauchsteuerpflichtige Waren entgegen verbrauchsteuerrechtlichen Vorschriften oder sonst unzulässigerweise in das, durch das oder aus dem Verbrauchsteuererhebungsgebiet verbracht werden, wobei das unmittelbare Versenden der Ware im Rahmen einer Lieferkette nach dem Verbringen dem Verbringen in das Verbrauchsteuererhebungsgebiet gleichsteht, oder
3.Barmittel oder gleichgestellte Zahlungsmittel, die im Zusammenhang mit begangenen oder geplanten Straftaten oder Zuwiderhandlungen stehen, in den, durch den oder aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden.
Das Brief- und Postgeheimnis nach Artikel 10 des Grundgesetzes wird durch Satz 1 eingeschränkt.Immerhin müssten auch in diesem Falle "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" für eine zollrelevante Verletzung von Rechtsvorschriften vorgelegen haben. Es ist schon merkwürdig, dass der Betroffene einer derartigen Maßnahme (immerhin ein Grundrechtseingriff!!!) nicht über die Verdachtsgründe informiert wird. Das erinnert mich schon ziemlich an die DDR-Praxis. Wie kann es zudem sein, dass über einen staatlich vollzogenen Grundrechtseingriff amtlicherseits keinerlei Daten gespeichert werden? Mit "Rechtsstaat" kann eine derartige Praxis nach meiem Empfinden nichts zu haben. Kürzlich habe ich in der Berliner Zeitung gelesen, dass jeder von der Post AG beförderte Brief mindestens zwei mal gescannt wird. Laufen die dabei gewonnenen Verbindungsdaten direkt bei Zoll, Verfassungsschutz oder BND auf? Wundern würde es mich nicht!
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Nur zu einem Punkt : Dass keine Daten gespeichert werden, wenn die stichprobenartig durchgeführte Kontrolle keine zollrelevante Feststellung ergeben hat, ist doch nur normal. Das Gegenteil wäre nicht im Einklang mit dem Datenschutz.
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Diese Kontrolle kann ich mir auch nicht erklären, zumal der Inhalt, 2 tschechische Briefmarken aus den 30er Jahren, Wert unter 3,00 Euro, das nicht erwirkt haben können. Es bleiben die üblichen Fragezeichen ...
Das Scannen der Briefe hat damit zu tun (glaube es, so oder ähnlich gelesen zu haben), dass die Post AG versuchen will, Briefe anzukündigen!?
Was das bei einer halbwegs normalen Laufzeit von E+1 soll, will sich mir nicht offenbaren.
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Heute möchte ich Euch einen weiteren Postkontrollbeleg präsentieren. Es handelt sich um einen Brief aus Straubing an den ehemaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer aus dem Jahre 2001. Er trägt auf der Vorderseite den Vermerk " Diese Sendung wurde zur Kontrolle auf Sprengsätze durchleuchtet". Durch welche Behörde die Kontrolle durchgeführt worden ist, geht aus dem Vermerk nicht hervor. Mich verwundert etwas, dass ein Briefumschlag an einen Außenminister in Privathand gelangt ist. Gibt es unter Euch jemanden, der einen ähnlichen Beleg präsentieren kann?
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Hier geht es ja um eine ganz andere Art der Kontrolle, um Vermeidung von Anschlägen und nicht um eine politische Zielsetzung. Fällt eine solche Kontrolle auch unter das im Titel des Threads anvisierte Gesetz vom 24.5. 1961 ? Und durch wen wurde sie durchgeführt : durch die Post oder im Auswärtigen Amt selber ?
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Bei der Vermeidung von Anschlägen auf Spitzenpolitiker dürfte es sich wohl auch um eine politische Zielstellung handeln.
a ) fällt nicht unter das Gesetz
b) die Frage habe ich mir auch gestellt
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Wandervogelgelb
5. September 2020 um 15:01 Hat den Titel des Themas von „Postkontrolle der BRD auf Grund des Gesetzes vom 24.5.1961“ zu „Postkontrolle der BRD auf Grund des Gesetzes vom 24.5.1961 u.a. Kontrollen“ geändert.