Folge acht: Der 13-jährige Oskar Wang ist einer von 75 000 Briefmarkensammlern in Deutschland
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Oskar Wang ist 13 Jahre alt und sammelt Briefmarken. Das tun sonst fast nur über 60-Jährige. Bei Oskar ist es Familientradition.
Zinnsoldaten, Streichholzschachteln, Spinnenbeine: Sammeln kann man fast alles. Überall auf der Welt werden Kollektionen von Brauchbarem und Unbrauchbarem angelegt. Die Berliner Zeitung stellt Sammler und die Objekte ihrer Leidenschaft vor.
-Das Briefmarkensammeln hat eine lange Tradition in der Familie Wang. Erst sammelte der Großvater Wang aus Shanghai, der durch seinen Beruf bei einer Transportfirma immer Zugang zu den begehrten Marken aus dem westlichen Ausland hatte. Dann sammelte Vater Wang, der zum Studieren nach Deutschland kam und dort Ersttagsblätter schätzen lernte. Und jetzt sammelt der Sohn Oskar Wang, der über seine Liebe zu bunten Comics zu den bunten Marken kam. Aber wahrscheinlich wäre er früher oder später sowieso Philatelist geworden - bei der Tradition.
In seiner Familie ist das Verständnis und die Begeisterung für Postwertzeichen groß. Anders ist das in Oskars Klasse. "Ich bin der einzige der Briefmarken sammelt", gesteht der Junge und lächelt scheu. Die einzigen Gleichaltrigen, die sich auch für Fehldrucke und Sonderstempel interessieren, sind die vier Mitglieder seiner Jugendgruppe. Alle anderen Philatelisten im Verband könnten locker seine Väter oder sogar Großväter sein. Längst haben die Sammlerverbände erkannt, dass ein Altersdurchschnitt von knapp 60 einfach zu hoch ist und sie bemühen sich redlich um Nachwuchs. Manfred Baltuttis, der die Verbandsstelle Jugend beim Berliner Philatelistenverband leitet, bringt Oskar und den anderen Gruppenmitgliedern einmal im Monat bei, wie man den Briefmarkenkatalog Michel liest und was auf Briefmarkenmessen passiert. Er schenkt ihnen sogar Exemplare aus seiner eigenen Sammlung. Oskars größter Schatz, eine englische Ein-Penny-Marke aus dem Jahr 1854 stammt von ihm. Genau genommen sind es drei Marken, alle mit dem Konterfei der Königin Victoria, die sich auf den ersten Blick nicht voneinander unterscheiden. Wenn man Oskar danach fragt, beweist er sein geschultes Sammlerauge: Unter der Lupe erkennt man, dass in den Ecken der Briefmarken unterschiedliche Buchstaben aufgedruckt sind - wahrscheinlich ein Hinweis auf verschiedene Zustellungsbezirke.
Solche Detektivarbeiten machen dem 13-jährigen Staakener Spaß. Er sammelt, seit er elf Jahre alt ist, und hat schon jetzt über 1000 Marken in Alben und Pappkartons gehortet. Pinzette und Lupe liegen immer griffbereit auf seinem Schreibtisch, genauso wie eine Weltkarte, um die Briefmarken ihren Herkunftsländern zuzuordnen. Als Faustregel gilt: je kleiner und entfernter das Land, desto bunter und einfallsreicher die Briefmarken. Der Inselstaat Grenada gab vor einiger Zeit eine rosafarbene Heidi-Klum-Marke heraus. Bei der Deutschen Post hat man in diesem Monat die Wahl zwischen "50 Jahre römische Verträge" und der Geburtstagsmarke für den 80-jährigen Papst Benedikt - nicht gerade Themen für junge Sammler.
Oskar Wang hat sich in seiner Sammlung auf Comicmarken und auf China, das Herkunftsland seiner Eltern, spezialisiert. Das ist praktisch, denn jeder Brief von chinesischen Verwandten bringt automatisch neue Stücke für seine Kollektion. Außerdem lernt er so quasi im Fernstudium die Geschichte und Kultur Chinas kennen. Da ist der verbotene Palast, dessen Grundriss sich gleich über vier zusammenhängende Marken erstreckt. Und da ist auch der "Große Vorsitzende" Mao direkt neben Lenin und Engels. Besonders in den 60er Jahren während der chinesischen Kulturrevolution seien Briefmarken zur politischen Propaganda genutzt worden, erzählt der Vater Oliver Wang. In Oskars chronologisch geordnetem Album sind die Seiten aus dieser Zeit ausschließlich mit roten Marken gefüllt. Rot galt als Farbe der Revolution. Einige Seiten weiter wird es wieder bunter und unpolitischer. Ein Briefmarkenalbum kann ein Geschichtsbuch sein.
Informationen beim Verband der Berliner Philatelisten im Internet:
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