Briefmarken: 300. Versteigerung des Auktionshauses Schwanke. Bei der Jubiläumsauktion wurden etwa 500 000 Euro umgesetzt. Teuerstes Los: die Marken des NS-Kraftfahrerkorps und NS-Fliegerkorps.
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Wollten die Kopernikus-Farbproben ersteigern: Rudolf Klohn und seine Frau Inge.
Auf Losnummer 98 hat Rudolf Klohn es abgesehen. Drei Farbproben Kopernikus in Rosalila, Grün und Braunoliv, der Aufdruck des Sterbedatums waagerecht angeordnet. Sehr seltene Stücke. Das Startgebot bei der Briefmarkenauktion des Hauses Schwanke im Haus der Patriotischen Gesellschaft an der Trostbrücke liegt bei 350 Euro. Ein stolzer Preis für drei Briefmarken. Doch für Rudolf Klohn zählen ganz andere Werte - Liebhaberwerte. Der 66jährige ist langjähriger Sammler, mit Spezialisierung auf das Themengebiet Weltraum. Der Kopernikus hat ihm da noch gefehlt.
Pünktlich um elf Uhr startet Hans-Joachim Schwanke (55) die Auktion. Heute, zur Feier der 300. Versteigerung, hat das Auktionshaus mit Familientradition seit 1972 ein ganz besonderes Objekt der Philatelisten-Begierde im Angebot: die Corona-Collection, Deutschland Teil 1, das Deutsche Reich von 1933 bis 1945 einschließlich der Feldpostmarken, Besatzungsausgaben und Kriegs-Propagandafälschungen. Da muß man schon Liebhaber sein. 26 davon sitzen unter den Kronleuchtern des "Reimarus-Saals", darunter acht Agenten. Sie haben die Gebote von jeweils etwa 30 Sammlern bereits vorliegen oder bekommen sie per Handy. Die anderen umklammern ihre Bieterkarten, bereit, sie sofort in die Höhe zu reißen. Um elf Uhr und zwanzig Sekunden fällt der erste Hammer. Die Jagd ist auf.
Kontrolliert, natürlich. "Disziplin ist beim Briefmarkensammeln oberstes Gebot", sagt Rainer Moll (57). Er muß es wissen. Seit 25 Jahren sammelt der Frührentner professionell, besucht mehrmals im Monat Auktionen oder läßt Agenten für sich bieten. Zu dieser Versteigerung ist er extra aus Solingen angereist. "Ein richtiger Sammler häuft nicht einfach alles an", sagt Moll. "Es geht nur um ganz bestimmte Marken." Ihn interessieren ausschließlich Marken aus Besetzungsgebieten der Deutschen aus dem Zweiten Weltkrieg, die aber "von A wie Albanien bis Z wie Zara". Wie groß seine Sammlung insgesamt ist, möchte er nicht verraten. Heute sollen aber 30 Marken dazukommen, nicht mehr. Disziplin.
Zehn Minuten später, Losnummer 17 wird ausgerufen. Eisenbahn breitrandig und ungezähnt, sehr selten, Startgebot bei 300 Euro. "310, 320, 330, 340 zu meiner linken, 350 am Telefon, 360, 370 hier vorne." Sammelleidenschaft wird zum Sammelfieber. Schwankes Autionshammer wirbelt umher, ebenso seine rote Krawatte mit kleinen bunten Schildkröten drauf. 700 zusätzliche Sammler aus München, England, den USA, Australien und sogar Shanghai steigern per schriftlichem Gebot oder telefonisch ganz oben mit. Auch bei der ungezähnten Zwölf-Pfennig-Eisenbahn. Aber Vorsicht! Disziplin. Bei 580 Euro geht keiner mehr mit, verkauft an den Herrn in der ersten Reihe.
Warum sammelt jemand eigentlich Briefmarken? Schwanke kontert mit der typischen Antwort eines Philatelisten: "Warum sammelt einer Bierdeckel? Oder Streichhölzer?" Etwa 5000 Briefmarkensammler soll es in Hamburg geben, schätzt Schwanke. "Einige erfüllen ihr Hobby jedoch im kleinen Kämmerlein, leider", sagt Schwanke.
Dabei kann Briefmarkensammeln mehr sein als ein reines Hobby, es kann zu einer lohnenden Investition werden. "Im Vergleich zu Aktien ist das eine solide Anlage", sagt Schwanke. "Wie ein Goldbarren." Bestes Beispiel, die aufgerufene Corona-Collection. Das teuerste Los, die Farbproben der NS-Kraftfahrerkorps und NS-Fliegerkorps in fünf verschiedenen Farbtönen aus der Wiener Staatsdruckerei, hat ein Startgebot von 18 000 Euro - unter den Hammer kommt es für 31 000 Euro. Insgesamt sind 86 Prozent der 600 angebotenen Lose versteigert worden - für immerhin 500 000 Euro.
Mittlerweile ist auch der Kopernikus, auf den Rudolf Klohn scharf war, unter den Hammer gekommen - für 1550 Euro. Zu teuer für Klohn, sein Limit lag bei 900 Euro, und daran hat er sich gehalten. Disziplin eben. Doch morgen gibt es schon wieder eine Auktion bei Schwanke. Ab zehn Uhr werden Einzellose aus Europa, Übersee und Altdeutschland, Seepost aus deutschen Kolonien und Deutschland nach 1945 mit allen Teilen ausgerufen. Doch auch die Anfänge der Raumfahrt kommen unter den Hammer. Klohn ist dabei - diesmal hat er es auf den Daedalus abgesehen.
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