Hermann Hassler, Leiter des Amtes für Briefmarkengestaltung, tritt in den Ruhestand
Mit der Pensionierung Hermann Hasslers per 31. Dezember geht im Liechtensteiner Briefmarkenwesen eine 25-jährige Ära zu Ende – personell und organisatorisch. Denn das Amt für Briefmarkengestaltung wird gleichzeitig in die Post AG eingegliedert.
Für die Post AG ist die Übernahme des Briefmarkenwesens ein gutes Geschäft, sagt Hermann Hassler, bedeutet sie doch eine Verdoppelung ihres Reingewinns. Sowohl die Post, als auch das Briefmarkenwesen – welches aus dem bisherigen Amt für Briefmarkengestaltung und der Postwertzeichenstelle bestand – erwirtschaften derzeit einen Gewinn von je ca. eineinhalb bis zwei Millionen Franken pro Jahr.
Seit April hatte Hermann Hassler seine Funktion als Amtsleiter für Briefmarkengestaltung nur mehr teilzeitlich ausgeübt. Die Regierung hatte ihn angefragt, bis Ende Jahr mit einem Pensum von 30 Prozent im Amt zu bleiben. Eine Zeit, die Hermann Hassler für strategische Aufgaben nutzte, um Ideen zu sammeln und noch einige Projekte vorzubereiten. Seine Stellvertreterin unterstützte ihn dabei. Der Übertritt in den Ruhestand sei kein schwerer Abschied, sagt Hassler, «obwohl mir die Funktion im Laufe der Jahre schon ans Herz gewachsen ist. Ich habe mich schon längere Zeit auf meine Pensionierung eingestellt.»
Briefmarken als Spekulationsobjekte
Das Briefmarkengeschäft wird nie mehr jenes Volumen erreichen, welches es noch in den 60er, 70er oder 80er Jahren hatte, ist sich der scheidende Amtsleiter sicher. Ab den 60er Jahren hatten viele Leute begonnen, Briefmarken in grosser Menge als Wertanlage zu kaufen. «1960 hatten wir noch 5'000 Abonnenten für liechtensteinische Briefmarken», erinnert sich Hassler, «bis zum Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre explodierte der Abonnentenstand auf 90'000 Kunden, danach gab es einen Rückgang bis auf einen heutigen Stand von 45'000 Kunden.» Die Spekulanten hatten sich verschätzt – wenn plötzlich alle beginnen, bestimmte Marken zu sammeln, dann fällt der Raritätenbonus dahin und die erwarteten grossen Wertsteigerungen bleiben aus. «Es wurden Briefmarken bis zu 50 Prozent unter dem Einstandspreis wieder auf den Markt zurückgeworfen», sagt Hermann Hassler. Diese Überschwemmung des Marktes hatte Rückwirkungen auf das Geschäft mit neuen Briefmarken. Die Neuauflagenzahlen mussten reduziert werden, die Produktionskosten verteuerten sich. Dennoch erwirtschaftete das Briefmarkengeschäft weiterhin einen Gewinn, schliesslich lag auch die reduzierte Abonnentenzahl noch neunmal über der Zahl von 1960. «Wir haben Abonnenten verloren», räumt Hermann Hassler ein, «aber auf hohem Niveau.»
Sammler wollen Qualität und Unverwechselbarkeit
Die Abonnenten bzw. die Sammler sind es auch, die das Briefmarkenwesen finanzieren. Jede auf einen Brief geklebte Marke ist ein Verlustgeschäft, weil sie trotz der hohen Herstellungskosten – die aufwendige Gestaltung und die speziellen Druckverfahren sind eine teure Angelegenheit – nur zum vergleichsweise niedrigen Taxwert abgegeben werden darf. Zwar ist die Konkurrenzierung der Briefpost durch Fax und E-Mail spürbar, auf das Kerngeschäft mit Briefmarken hat dies aber weniger Auswirkungen, als der Laie erwarten würde.
Briefmarken als Image- und Kulturträger
Zu denken gibt allerdings, dass die Zahl der Briefmarkensammler zurückgeht. Der Altersabgang unter den Sammlern ist grösser als der Nachwuchs. Und auch die verbleibenden Sammler, zumal im Ausland – und hier wiederum vor allem in Deutschland -, müssen mit Qualität und Unverwechselbarkeit der Liechtensteiner Marken bei der Stange gehalten werden. «Die Liechtenstein-Sammler möchten den Bezug zu ihrem Sammelland bewahren», ist sich Hermann Hassler sicher, «wenn die Sujets auf den Marken beliebig und austauschbar werden, wird das Sammeln von Briefmarken eines bestimmten Landes uninteressant.» Damit verwahrt sich der bislang oberste Briefmarkengestalter des Landes gegen einen Trend, den er u. a. in der Schweiz und in Österreich beobachtet hat: Briefmarken werden mit populären Comicfiguren oder Werbemaskottchen gestaltet, um vermeintlich wieder ein jüngeres Sammlerpublikum anzusprechen – ein Trend, der laut Hassler auf längere Sicht nur die bestehenden Sammler vergraulen wird, ohne neue Sammler zu gewinnen. «Briefmarken sind Botschafter unseres Landes, die eine sorgfältige Themenwahl und -gestaltung verlangen». In diesem Punkt bleibt Hassler konsequent bei einer Marktstrategie, die nachhaltig ein unverwechselbares Image des Landes kommunizieren will.
Zwar habe die Regierung bekundet, dass sie weiterhin Einfluss auf die Briefmarkengestaltung nehmen wolle, auch wenn die Abteilung an die Post AG ausgelagert wird, weiss Hassler. Allerdings ist für ihn fraglich, wie das konkret geschehen soll, ohne die Post unternehmerisch zu stark einzuschränken: «Der Post müsste wohl auch ein gewisses Mass an Eigenverantwortung übertragen werden.»
Briefmarken waren einst essenziell fürs Budget
Der Staat sollte sich in Zeiten, in denen darüber diskutiert wird, dass Briefmarken nicht mehr rentieren, bewusst sein, dass Liechtenstein einmal jahrzehntelang essenziell auf das Briefmarkengeschäft angewiesen war. «Von den 1930er bis zu den 1960er Jahren lukrierte der Staat zeitweise 30 bis 50 Prozent seiner Einnahmen aus dem Briefmarkengeschäft», erinnert Hermann Hassler. Das waren jene budgetär mageren Jahrzehnte für das Land, bevor der Finanz-, Industrie- und Gewerbesektor seinen Aufschwung erlebte. Wenn auch heute die grössten Staatseinnahmen aus der Wirtschaft stammen, die historische Bedeutung des Briefmarkenwesens für Liechtenstein möchte der scheidende Amtsleiter jedenfalls gewürdigt wissen.
Vom Maschinenzeichner zum Briefmarkengestalter
Seit 1. Oktober 1979 hatte Hermann Hassler das Amt für Briefmarkengestaltung geleitet. In die Funktion kam der ursprünglich gelernte Maschinenzeichner auf Umwegen. «An sich hatte mir der Beruf des Maschinenzeichners gut gefallen», sagt Hassler, «aber die Vorstellung, in der Industrie zu arbeiten, behagte mir nicht richtig. Ich wollte im Job meine kreativen und künstlerischen Seiten verwirklichen.» Damals ergab es sich, dass der Grafiker Louis Jäger einen Mitarbeiter suchte – Hermann Hassler bewarb sich, wurde angestellt und liess sich in der Folge zum Grafiker ausbilden. Im Grafikbüro Jägers fielen die unterschiedlichsten Gestaltungsaufträge an – Messestände, Bücherillustrationen, Broschüren etc. Viele Aufträge stammten aus der Industrie, und da kam Hermann Hassler seine ursprüngliche Ausbildung als Maschinenzeichner sehr entgegen. Aufträge zur Briefmarkengestaltung fielen für den jungen Grafiker nur sporadisch an. Allerdings stand Hermann Hassler damals in gutem Kontakt zu Franz Büchel, seinem Vorgänger als Leiter des Amtes für Briefmarkengestaltung. Von ihm erfuhr er dann eines Tages auch, dass dessen Stelle frei würde. Franz Büchel ermutigte Hermann Hassler, sich zu bewerben, er wurde genommen, und der Rest ist ein Stück «Briefmarkengeschichte».
«Es hat mich überrascht, wie vielfältig der Job des Amtsleiters für Briefmarkengestaltung ist. Mir tat sich eine ganz neue Welt auf», erinnert sich Hassler an seine ersten Eindrücke in der neuen Funktion. Es galt, immer wieder Ideen für neue Briefmarken zu entwickeln, sich Inspirationen z. B. bei Kunstausstellungen zu holen, Kontakte zu Künstlern und Druckereien zu pflegen, kurz, immer am Puls der Geschehnisse, bei den Menschen und in Bewegung zu bleiben. Es mussten ja auch immer neue Briefmarkensujets auf den Markt gebracht werden, sei es auf Anlässe wie Museumseröffnungen, historische Ereignisse u. a. bezogen, sei es, dass auch für jahreszeitlich wiederkehrende Ereignisse wie Ostern oder Weihnachten die Sujets jedes Jahr erneuert werden mussten. «Mein Job gab mir die Möglichkeit, immer wieder neue Erfahrungen zu sammeln – und das hat ihn wirklich spannend gemacht.»
Selbst kein Briefmarkensammler
Briefmarken hat Hermann Hassler nie gesammelt, und in seiner Funktion als Amtsleiter wollte er ganz bewusst nicht damit anfangen. «Als Leiter der Briefmarkengestaltung muss man neutral an alle Themen herangehen und man muss alle Produktionsphasen einer Marke von Skizzen, Entwürfen, Probeabzügen bis zum Erscheinen einer Marke strikt vertraulich behandeln – als Sammler ist man schnell einmal befangen und entwickelt Vorlieben für bestimmte Themen», erklärt Hassler. Enge Kontakte zu Sammlern zu pflegen und Ausstellungen zu besuchen, war für den Amtsleiter jedoch selbstverständlich.
Eine Sammelleidenschaft hat er allerdings doch, verrät Hermann Hassler zum Schluss: Zapfenzieher. Zwischen 200 und 300 Stück hat er bereits zu Hause. «Mich interessieren die verschiedenartigen technischen Lösungen, die für die scheinbar simple Funktion des Flaschenentkorkens entwickelt wurden – all diese Hebel-, Schraub-, Zahnstangen- oder gar Vakuumlösungen.» Seine Leidenschaft für die Zapfenzieher hänge wohl auch mit seinem Interesse für Wein und Weinbau zusammen. Diese Sammlung zu sichten und zu kartieren wird eine seiner Aufgaben in der Pension sein.
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«Die Liechtensteiner sind eine angenehme Kundschaft, weil sie wissen, was sie wollen»: Das sagte der technische Direktor der Wiener Staatsdruckerei, Alfred Hengstberger (l.), im März in Wien. Die Staatsdruckerei ist seit Jahrzehnten bewährter Druckpartner für Liechtensteiner Briefmarken.
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